Transhumanismus Wikipedia

Posted: December 7, 2016 at 7:55 am

Transhumanismus (zusammengesetzt aus lateinisch trans jenseits, ber, hinaus und humanus menschlich) ist eine philosophische Denkrichtung, die die Grenzen menschlicher Mglichkeiten, sei es intellektuell, physisch oder psychologisch, durch den Einsatz technologischer Verfahren erweitern will. Die Interessen und Werte der Menschheit werden als Verpflichtung zum Fortschritt angesehen.

Die Vertreter des Transhumanismus finden sich vor allem im angelschsischen Raum.[1] Es handelt sich dabei um eine lose[2] und heterogene Verbindung von Vertretern unterschiedlicher soziokultureller Hintergrnde und unterschiedlicher Disziplinen.[3]

Transhumanisten sehen die Wurzeln ihrer Philosophie im Renaissance-Humanismus und dem Zeitalter der Aufklrung angelegt.[4] Es wird von Transhumanisten intensiv diskutiert, ob und inwiefern Friedrich Nietzsche als Ahnherr des Transhumanismus angesehen werden kann und sollte.[5][6]

Der Biologe und Eugeniker Julian Huxley hat 1957 in seinem Buch New Bottles for New Wine den Begriff Transhumanismus im gleichnamigen Kapitel postuliert.

Mensch, der Mensch bleibt, aber sich selbst, durch Verwirklichung neuer Mglichkeiten von seiner und fr seine menschliche Natur, berwindet.

Der Begriff kam anschlieend in Abraham Maslows Toward a Psychology of Being (Psychologie des Seins, 1968) und Robert Ettingers Man into Superman (1972) vor. Wie Maslow und Ettinger benutzte auch der iranisch-amerikanische Futurist FM-2030 (geborener F.M. Esfandiary, Namensnderung Mitte der 1970er) den Begriff in seinen Schriften aus den 1970er Jahren in Bezug auf Personen, die sich neue Technologien, Lebensweisen und Weltbilder zu eigen machen, die einen bergang zum Posthumanen erkennen lassen. In seinem Buch Are You Transhuman? von 1989 schreibt der transhumanistische Philosoph FM-2030:

Transhumane sind die erste Manifestation einer neuen Art von evolutionren Wesen. Sie hneln darin den ersten Hominiden, die vor vielen Millionen Jahren die Bume verlieen und begannen sich umzuschauen. Transhumane haben nicht notwendigerweise das Ziel, die Evolution hherer Lebensformen zu beschleunigen. Viele von ihnen sind sich ihrer Rolle als bergangsform der Evolution gar nicht bewusst.

Eine moderne Definition des Transhumanismus geht auf Max More zurck[7]:

Transhumanismus ist eine Kategorie von Anschauungen, die uns in Richtung eines posthumanen Zustands fhren. Transhumanismus teilt viele Aspekte mit dem Humanismus, einschlielich eines Respekts vor Vernunft und Wissenschaft, einer Verpflichtung zum Fortschritt und der Anerkennung des Wertes des menschlichen (oder transhumanen) Bestehens in diesem Leben. [] Transhumanismus unterscheidet sich vom Humanismus im Erkennen und Antizipieren der radikalen nderungen in Natur und Mglichkeiten unseres Lebens durch verschiedenste wissenschaftliche und technologische Disziplinen [].

Die frhen Transhumanisten trafen sich formal in den frhen achtziger Jahren an der Universitt von Kalifornien in Los Angeles, die zur zentralen Anlaufstelle fr Transhumanisten wurde. Dort konferierte auch FM-2030 ber die futuristische Ideologie der Upwingers. John Spencer von der Gesellschaft fr Weltraumtourismus organisierte viele transhumanistische Events zum Thema Weltraum. Natasha Vita-More (frher Nancie Clark) stellte Breaking Away bei EZTV-Media aus, ein Treffpunkt fr Transhumanisten und andere Futuristen. FM-2030, Spencer und Vita-More lernten sich kennen und organisierten gemeinsam Treffen fr Transhumanisten in Los Angeles.

In Australien schrieb der Science-Fiction-Autor Damien Broderick das Judas Mandala. 1982 verfasste Vita-More das Transhumanistische Knstlermanifest und produzierte spter die erfolgreiche Fernseh-Show TransCentury Update zum Thema Transhumanitt.

1986 wurde Eric Drexlers bekanntes Buch zur Nanotechnologie Engines of Creation verffentlicht.

Der Schwerpunkt der Transhumanismusbewegung ist die Anwendung neuer und knftiger Technologien, u.a.:

Die Technologien sollen es jedem Menschen ermglichen, seine Lebensqualitt nach Wunsch zu verbessern, sein Aussehen sowie seine physikalischen und seelischen Mglichkeiten selbst bestimmen zu knnen. Niemand solle zu irgendeiner Vernderung gezwungen werden.

Es lassen sich im Transhumanismus Unterstrmungen ausmachen, die in der Realitt aber selten klar voneinander abgegrenzt sind.

Die Eugenik spielt im Transhumanismus eine zentrale Rolle. Allerdings hofft man, nicht durch Sterilisation eine Geburt zu verhindern, sondern durch Genmanipulation fr die Geburt eines gesunden Kindes zu sorgen.[4][11] Dabei soll die menschliche Evolution knftig, an vom Menschen gewhlten Zielen orientiert, gesteuert werden. Diese Zchtung von Menschen soll nicht in staatlicher Hand liegen (wie etwa von der nationalsozialistischen Eugenik angestrebt), sondern in die Hnde der einzelnen Eltern gelegt werden.[12]

In Deutschland knpfen hnliche Diskussionen eher an Friedrich Nietzsches Begriff des bermenschen an und sind damit nicht vornehmlich technisch orientiert, sondern immer auch von Gedanken einer kulturellen Weiterentwicklung durchdrungen.[13]

Die Frage, inwiefern transhumanistische Zukunftsprognosen ber die technologische Entwicklung realistisch sind, und welche ethischen und anthropologischen Konsequenzen sich daraus ergben, wird kontrovers diskutiert. Der Transhumanismus wurde von Francis Fukuyama einem ausgesprochenen Gegner eine der gefhrlichsten Ideen genannt,[14] whrend ein Befrworter (Ronald Bailey) dem entgegensetzte, dass diese Bewegung das khnste, mutigste, visionrste und idealistischste Bestreben der Menschheit sei.[15]

Der Genetiker und Wissenschaftsautor Steve Jones argumentiert, dass die Menschheit die Technologie nicht hat und nie haben wird, die die Befrworter des Transhumanismus suchen. Jones behauptet, dass Technologien wie die Gentechnik nie so leistungsfhig sein werden, wie allgemein angenommen wird.

In seinem Buch Futurehype: Die Tyrannei der Prophezeiung zhlt der Soziologe Max Dublin viele fehlgeschlagene Vorhersagen des vergangenen technologischen Fortschritts auf und postuliert, dass moderne futuristische Vorhersagen hnlich ungenau ausfallen werden. Er tritt auch gegen das, was er als Fanatismus und Nihilismus in der Befrwortung transhumanistischer Zwecke sieht, ein und behauptet, dass historische hnlichkeiten zu religisen und marxistischen Ideologien bestnden.

Dem Transhumanismus wird vorgeworfen, auf technologische Entwicklungen zu setzen, ohne die damit einhergehenden ethischen Aspekte hinreichend zu bercksichtigen.

Der Politikwissenschaftler Francis Fukuyama meint, dass Transhumanismus die progressiven Ideale der liberalen Demokratie auf kritische Weise unterminieren knne. Dies geschehe durch eine fundamentale Vernderung der menschlichen Natur und der menschlichen Gleichheit.[16]

Science Fiction hat Transhumanismus schon seit vielen Jahren in verschiedensten Formen dargestellt.

In der bekannten Neuromancer-Trilogie von William Gibson sind viele Elemente des Transhumanismus enthalten. So sind die meisten Menschen mit Microchips ausgerstet, die sie unter anderem intelligenter machen und die sie jederzeit auswechseln knnen. Knstliche Intelligenzen agieren frei im Cyberspace und die Charaktere wechseln zwischen realer und virtueller Welt. Auch die meisten anderen Romane von Gibson (z.B. die Kurzgeschichtensammlung Cyberspace) befassen sich mit Transhumanismus.

Eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema findet man bei Greg Egan. In Distress beschftigt er sich unter anderem mit dem Konzept der morphologischen Freiheit, dem (knstlichen) Anpassen des Krpers an sein eigenes Selbstbild. In Permutation City und Diaspora beschftigt er sich mit dem Uploaden, mit der Entwicklung komplexer Gesellschaftssysteme basierend auf simulierten Individuen.

Die Ousters im Hyperion-Zyklus von Dan Simmons sind ein Beispiel fr eine transhumane Menschheit, bis hin zum Posthumanen. Anstatt sich an Felsen zu klammern wie der Rest der Menschheit (die sie als Barbaren hassten und frchteten), zogen sie in Richtung Weltraum, passten sich an die Umgebung mittels Nanotechnologie an, und traten in eine symbiotische Beziehung zu ihrer Technologie. Simmons spteres Buch Ilium zeigt eine andere Situation in der fernen Zukunft, wo Posthumane von ihrer eigenen Technologie scheinbar absorbiert wurden, whrend eine kleine Bevlkerungsgruppe von weniger vernderten Menschen weiterhin auf der Erde lebt und dabei komplett von einer Technologie abhngig ist, die sie nicht lnger verstehen (siehe Technologische Singularitt).

Der Roman Die Abschaffung der Arten von Dietmar Dath, der 2008 auf der Shortlist des Deutschen Buchpreis war, spielt in einer Welt, in der das transhumanistische Projekt verwirklicht wurde, indem ein Teil der Menschheit sich durch gesteuerte Evolution in die Gente verwandelt hat. Sie sind eine Art umfassendes auf den heute bekannten Tieren beruhendes Geschlecht, welches zur Informationsbermittlung auf ein Duftstoffnetz zurckgreift.

Auerhalb der Science-Fiction wurde der Transhumanismus zum Beispiel von Michel Houellebecq in seinen Romanen Elementarteilchen und Die Mglichkeit einer Insel thematisiert. Die Menschheit beschliet hier als Reaktion auf die Desillusionen der Moderne, zugunsten einer geschlechtslosen, unsterblichen Spezies von der Weltbhne zu verschwinden.

In dem 2012 erschienenen Roman Maschinenmann des australischen Autors Max Barry verliert ein Wissenschaftler durch einen Unfall ein Bein, welches er durch eine biomechanische Prothese ersetzt. Als der Wissenschaftler feststellt, dass sein neues synthetisches Bein wesentlich leistungsfhiger ist als ein natrliches, beginnt der Mann, weitere seiner Krperteile auszutauschen, um seinen organischen Leib zu perfektionieren.

Im 2013 erschienenen Roman Inferno von Dan Brown erschafft ein Wissenschaftler, der sich als Transhumanist sieht, ein Virus, das die Welt vor der drohenden berbevlkerung und dem seiner Ansicht nach damit unvermeidlichen Kollaps der Erde retten soll.

Auch in aktuellen Computerspielen tauchen Ideen und Konzepte des Transhumanismus auf. Die Deus-Ex-Reihe behandelt auch und vor allem die Auswirkungen berlegener Technik wie knstlicher Implantate und knstlicher Intelligenz auf den menschlichen Geist und die Gesellschaft.

Ein weiteres Beispiel fr eine transhumanistische Organisation in Computerspielen ist die Cerberus-Gruppe in der RPG-Serie Mass Effect. Diese versucht durch Genmanipulation und Implantologie der Menschheit einen Vorteil im intergalaktischen Wettbewerb mit den anderen, auerirdischen Rassen zu verschaffen. Obwohl der Spieler im ersten Teil der Serie die teils unmoralischen Experimente und Machenschaften der Gruppe aufdeckt, wird er zu Beginn des zweiten Teils durch eben deren Technik wieder zum Leben erweckt und versucht im Folgenden mit Untersttzung von Cerberus die Vernichtung allen organischen Lebens durch die sog. Reaper, uralte und hoch entwickelte Maschinenwesen, zu verhindern. Der Spieler kann dabei an mehreren Stellen in Dialogen seine Einstellung zur Cerberus-Gruppe darstellen und sich dabei sowohl loyal zeigen als auch abgrenzen.

Das Computerspiel BioShock dreht sich um ein gescheitertes libertres Gesellschaftsmodell, welches dem Transhumanismus hnelt. Die elitren Bewohner der Unterwasserstadt Rapture verwendeten dabei exzessive Genmanipulation, um ihre Krperfunktionen zu erweitern, was ihnen schlielich zum Verhngnis wurde. Autor Ken Levine greift dabei Ayn Rands Objektivismus auf und zeichnet das Portrt einer Gesellschaft, in der diese Weltanschauung in Gnze gelebt wurde, aber letzten Endes scheiterte.[17]

In den Syndicate Computerspielen ist es mglich, seinen Agenten vorteilsbringende Prothesen zu kaufen, wodurch sie im spteren Spielverlauf zunehmend zu Cyborgs werden.

Der Horror-Titel Soma des schwedischen Studios Frictional Games verwischt die Grenze zwischen Mensch und Maschine und mchte Grauen mit daraus entstehenden Fragen vermitteln.[18]

Das Open-World Rollenspiel "Fallout 4" des US-amerikanischen Spieleentwicklers Bethesda Game Studios, ermglicht dem Spielenden sich ausfhrlich mit der Frage zu beschftigen, ob bzw. ab wann knstliche Intelligenzen (hier:Synths) "Lebewesen" sind und als solche entsprechende Rechte verdienen. Die fortschrittlichsten dieser Synths sind vollstndig synthetische Menschen, die jedoch mittels eines "Synthmoduls" programmiert und Sprachgesteuert werden knnen. Das "Institut", welches fr die Entwicklung und Produktion der Synths verantwortlich ist, sieht in Ihnen die "Menschheit -neu definiert", wird dabei jedoch von der Untergrundorganisation "Railroad" bekmpft, welche dem Institut vorwirft die Synths zu versklaven und auszubeuten. Demgegenber steht die "Sthlerne Bruderschaft", eine militrisch disziplinierte Organisation, welche die Synths trotz ihres eigenen Vertrauens in hoch entwickelte Technologien fr eine Gefahr hlt.

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