Cyborg – Wikipedia

Der Begriff Cyborg (eingedeutscht auch Kyborg) bezeichnet ein Mischwesen aus lebendigem Organismus und Maschine. Zumeist werden damit Menschen beschrieben, deren Krper dauerhaft durch knstliche Bauteile ergnzt werden. Der Name ist ein Akronym und leitet sich vom englischen cybernetic organism, (dt.: kybernetischer Organismus) ab. Da Cyborgs technisch vernderte biologische Lebensformen sind, zhlen sie nicht zu den Robotern und sollten auch nicht mit deren Untergruppe, den Androiden, verwechselt werden.

Der Begriff stammt aus dem Kontext der Raumfahrt. Der sterreichisch-australische Wissenschaftler Manfred Clynes und der US-amerikanische Mediziner Nathan S. Kline verwendeten den Begriff in einem gemeinsamen Aufsatz in den 1960er Jahren das erste Mal.[1] Sie schlugen die technische Anpassung des Menschen an die Umweltbedingungen des Weltraums vor, als Alternative zur Schaffung einer knstlichen erdhnlichen Atmosphre innerhalb von Raumschiffen. Ausgangspunkt dieser berlegungen ist die natrliche Evolution, die hier als fortschreitende Anpassung der Lebewesen an neue Umweltbedingungen verstanden wird. Mit Hilfe von biochemischen, physiologischen und elektronischen Modifikationen sollten Menschen als selbstregulierende Mensch-Maschinen-Systeme im Weltraum berlebensfhig sein.

Die grundstzliche Idee, technologische bzw. knstlich hergestellte funktionale Bestandteile in organische Systeme einzufgen, ist allerdings wesentlich lter als der Begriff Cyborg. So kann z.B. von einem Zusammenhang zwischen dem Zeitalter der Aufklrung und der Prothetisierung der Welt (Bernd Flessner) gesprochen werden.[2] Auch in der Science-Fiction finden sich Cyborgphantasien schon, bevor der Begriff geprgt wurde.

In der modernen Biotechnologie gibt es Bestrebungen, biologische Elemente (in diesem Fall Menschen) mit technischen Elementen zu verbinden. Dieser technische Bereich wird als Bioelektronik bezeichnet. Im medizinischen Kontext ist die Verwendung komplexer binnenkrperlicher Technologie nichts Neues mehr. Menschen mit technischen Implantaten wie Herzschrittmachern, knstlichen Gliedmaen, komplexen Prothesen oder Implantaten in Auge und Ohr (Cochlea- bzw. Retina-Implantate) sind dem Begriff nach bereits Cyborgs. Ungefhr 10 Prozent der aktuellen Bevlkerung der USA sind vermutlich im technischen Sinn "Cyborgs" , schreibt N. Katherine Hayles im Cyborg Handbook.[3]

Es gibt unterschiedliche Vorstellungen ber die genaue Verwendung des Begriffs. Nach Ansicht des Philosophen Walther Christoph Zimmerli, Prsident der BTU Cottbus, stellt der moderne Mensch generell ein Wesen dar, welches in einer symbiotischen Verbindung mit der ihn umgebenden Technik lebt. Er ist demnach Teil eines solchen Mensch-Maschine-Komplexes.[4] Entsprechend wre ein Cyborg bereits eine Person, die sich mit Technik umgibt, etwa in einem Auto sitzt oder auch nur eine Brille trgt. Gerade hier aber ist strittig, wie der Begriff Cyborg verwendet werden soll. Ist er ein Synonym fr den Menschen als ein anthropologisch unhintergehbar auf Technologie verwiesenes Wesen im Sinne Arnold Gehlens oder Helmuth Plessners? Oder soll der Begriff fr solche Verbindungen von Leib und Technologie reserviert werden, bei denen, wie zum Beispiel Dierk Spreen meint, Technologie unter die Haut geht?[5] Um dies zu verdeutlichen, hat Spreen das sogenannte Reglermodell vorgeschlagen, wonach sich die Technisierung des Krpers wie ein Regler auf einer Skala zwischen lowtech body und hightech body verschieben lsst.[6] Demnach ist der hightech body ein Cyborg mit einem organisch-technologischen Leib. Dagegen ist der lowtech body von Technologie und Medien lediglich umgeben. Der Autor weist mit dem Modell allerdings auch auf die Bezge zwischen der technischen und medialen Durchdringung der Soziosphre, die ja auch schon sehr krpernah sein kann (MP3-Player, Smartphones, Notebooks usw.), und der technischen Durchdringung des menschlichen Leibes in der modernen Medienkultur hin.

Gewinnt man kein Differenzkriterium, wrde das Wort Cyborg nichts bedeuten, was nicht bereits im anthropologischen Begriff des Menschen als konstitutiv technischem Wesen aufgehoben wre. Aufgrund seines spezifischen, durch die Philosophische Anthropologie hervorgehobenen weltoffenen Wesens kommt der Mensch als solcher um die Mglichkeit des Umbaus seiner eigenen Physis, seiner Positionalitt, nicht umhin, von der Eugenik bis zur individuellen Europlastik.[7] Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, den Begriff Cyborg fr bestimmte Formen des Verhltnisses von Krper und Technik zu reservieren, nmlich solche in denen sich Organisches und Technisches zu einer hybriden Lebensform verbinden. Menschliche Cyborgs (Chris Hables Gray, Dierk Spreen) wren dann in diesem Sinne hybride Menschen.

In einer solchen Sichtweise verbindet sich der Begriff des Cyborgs nicht automatisch mit Vorstellungen einer post- oder gar transhumanen Gesellschaft. Transhumanisten befassen sich mit Prognosen und Ideen ber die Zeit nach dem Menschen. So schreibt der Transhumanist Max More: Wir knnen hhere Gipfel erklimmen, wenn wir nur unsere Intelligenz, unsere Entschlossenheit und unseren Optimismus dafr einsetzen, die menschliche Puppe zu durchstoen. Die Evolution hat trotz unserer Bemhungen unser Verhalten in bestimmte Richtungen geleitet, die in unser Gehirn eingearbeitet sind. Unsere Krper und Gehirne beschrnken unsere Kapazitten.[8] Fr More sind Cyborgs Ausdruck einer neuen Evolution, die vom biologischen Menschen zu posthumanen Wesen fhrt. Daher sind die Implikationen der Rede von menschlichen Cyborgs nicht unstrittig.

Verwendet man aber den Begriff Cyborg im eingeschrnkten Sinne, d.h. nach dem Unter-die-Haut-Kriterium, kann er nicht mehr umstandslos auf jede krpernahe Technologie angewendet werden. Sinnvoller ist es, ihn als Problematisierungsdiskurs zu verstehen, der die zunehmende Relevanz von binnenleiblicher Technologie und die damit einhergehende Vermischung von Knstlichem und Natrlichem sichtbar macht. Die amerikanische Feministin Donna Haraway etwa weist darauf hin, dass Cyborgtechnologie auch die patriarchalen und herrschaftlichen Codes der symbolischen Ordnung durcheinander bringt und dadurch Emanzipationschancen erffnet. Auch das nun zunehmend denkbare Upgraden des Krpers zur Verbesserung oder berwindung seiner natrlichen Eigenschaften (Christoph Keller) erffnet Problematisierungen.[9] Hinzu kommt, dass das cyborgisierte Individuum sich stndig mit seinen inneren Technikfolgen konfrontiert [sieht], da sich Schnittstellenprobleme nicht vermeiden lassen und die Anbindung an auerkrperliche Wissens- und Kontrollinstitutionen fr diese Technologien charakteristisch ist.[10]

Solche Fragestellungen fallen in den Bereich der Cyborg-Anthropologie. Dies bezeichnet ein Forschungsprojekt der American Anthropological Association (AAA), das im Dezember 1992 in San Francisco aus der Taufe gehoben wurde. Hauptziel der Cyborg-Anthropologie ist es, to study ethnographically the boundaries between human and machines that are specific to late twentieth century societies.[11] Dieses Projekt versteht sich als a serious challenge to the human-centered foundations of anthropological discourse[12] und sucht Anschlsse an die Science and Technology Studies (STS) und an feministische Untersuchungen. In Deutschland sind Krpersoziologie und Philosophische Anthropologie der Rahmen, in dem der gesellschaftliche und kulturelle Problemhorizont Cyborg vor allem diskutiert wird.

Nach der Auffassung Donna Haraways erffnet die Cyborgisierung Emanzipationschancen, weil Cyborgs aus dem blichen Kategoriedenken herausfallen. Ein Cyborg sei von Natur aus weder mnnlich noch weiblich, und doch wieder beides. Cyborgs knnten nicht ohne weiteres einer Kategorie, einer Lebensform und -art, zugeordnet werden. Aufgrund dieser Eigenschaften werden Cyborgs gerne im Problematisierungsdiskurs als Veranschaulichung genommen, um darzustellen, dass es kein streng weibliches und mnnliches Verhalten oder gar Wesen gebe. Sie zeigten, dass zum Beispiel Geschlechterrollen durchwegs konstruiert seien, und Eigenschaften des vermeintlich anderen Geschlechts auch auf das eigene zutreffen und gelebt werden drften, ohne zum Tabu zu werden.

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